Wo bin ich? Was ist passiert? Rekonstruktion eines Unfalls

Plötzlich im Op. Bild von Thomas G. auf Pixabay

Langsam kam ich wieder zu mir. Wo bin ich? Was ist passiert? Von Anwohnern, die mich gefunden haben, erfahre ich, dass ich auf der Straße auf einem Bordstein sitze, mit Platzwunde am Kopf, das Fahrrad neben mir auf der Straße liegend. Moment: Habe ich da nicht eben noch draufgesessen?

Ich erinnerte mich, dass ich auf die Wohnstraße eingebogen war und die Tüte an meinem Lenker schlackerte. Kurz vorher war ich Laufen und ein paar Dinge in der Stadt besorgen, während mein Rad in der Inspektion war. Doch ich hatte mehr gekauft, als in meinen Rucksack passte. Also baumelte die Tüte an meinem Lenker. Was dann passierte, kann ich später nur rekonstruieren. Ich habe es nicht mitbekommen. Nicht, wie ich bei Tempo 20 einen Abgang über den Lenker gemacht haben muss und irgendwo neben dem Bordstein zum Liegen gekommen bin. „Da vorne ist ein Blutfleck“, sagte mir die Anwohnerin. Also muss ich mich wohl aufgerichtet und auf den Bordstein gesetzt haben.

Mein Gehin war immer noch dabei, hochzufahren. Ich merkte weder die Platzwunde über meinem Auge, noch die ausgeschlagenen Zähne, die drei angebrochenen Rippen und mein gebrochenes Schlüsselbein. Das sollte ich später auf der Liege in der Notaufnahme des Krankenhauses erfahren. Noch kam ich zu mir. Erst jetzt registrierte ich, dass ich ein Unfall gehabt haben muss. Ich kann mich nicht erinnern, jemandem ausgewichen oder mit einem parkenden oder fahrenden Fahrzeug kollidiert zu sein. Ich glaub, diese Schrecksekunde hätte ich noch mitbekommen. Der Riss in meiner Tüte ließ mich kombinieren, dass das verdammte Ding im Sturm in die Speichen gekommen sein muss.

Mutter und Sohn, die mich fanden, waren selbst eine sportliche Familie. „Ich bring Sie mal lieber ins Krankenhaus“, sagte er. Ich stimmte zu und rief meine Frau an. „Ist nichts Schlimmes passiert. Ich hatte nur einen kleinen Unfall und lass mich im Krankenhaus durchchecken“, muss ich wohl on etwa gesagt haben. Klein? Von wegen. Aber ich hatte verdammtes Glück, habe ich später erfahren. Dass ich einen Helm getragen habe, dass meinem Auge nichts passiert ist und dass ich in ein paar Wochen wohl wieder wie vorher meinen geliebten Sport machen kann.

Im Krankenhaus schaffte ich es, meine Versichertenkarte zu überreichen. „Herzlichen Glückwusch“, sagte die Mitarbeiterin. Denn das Ganze ist mir ausgerechnet auch noch an meinem Geburtstag passiert. Da fand ich mich plötzlich liegend auf einer Trage wieder, kurz darauf beim Röntgen und im CT. Und dann der stechende Schmerz, als ich aufstehen wollte, und der mir die Gewissheit brachte, dass es in den nächsten Wochen mit dem Sport erstmal vorbei ist.

Der Arzt warf einen Blick auf die Aufnahme. „Ich würde Ihnen zu einer Operation raten“, empfahl er mir. Dabei wird das Schlüsselbein mit einer Hakenplatte fixiert, damit es schneller und vor allem gerade zusammenwächst. Bei der konservativen Methode des Rucksackverbands hätte die Gefahr bestanden, dass ich dauerhaft Komplikationen wegen eines schief zusammengewachsenen Knochens gehabt hätte. Also stimmte ich zu, packte meinen Arm vorübergehend in die Schlinge und fuhr mit dem Taxi nach Hause.

Vier Tage später war es so weit. Meine erste OP in meinem Leben. Ich reiste an, bekam die Beruhigungspille und zog mir mein Delinquentenhemdchen an. Milchglasfenster verhinderten einen Blick nach draußen. In eine Plastikbox packte ich meine Klamotten. Dann wurde ich schon in den Vorbereitungsraum geschoben. (Sprechanlage: „Hallo, hier kommt der Patient mit dem Schlüsselbein“). Ich plauderte mit dem Pfleger, der sich freute, dass ich mich selbsttändig vom Bett auf den fahrbaren OP-Tisch legen konnte. Dann stand ich vor OP Nummer IV, durch die Tür sah ich ein Fenster und die typischen Lampen. Und den Vorgänger, der gerade rausgeschoben wurde. Anschließend Menschen, die alles sauber machten. Das Licht an der Tür wechselte von Rot auf Grün, drin war ich. Der Narkosearzt sprach mit mir über Marathons und Bestzeiten. „Das habe ich noch nicht geschafft. Aber nun träumen Sie erst mal vom Marathon.“ Es war 12.10 Uhr, als ich das letzte Mal auf die Uhr geguckt habe. Weg war ich.

Vier Stunden später wurde ich wach und hörte Stimmen. Wo war ich? Im Aufwachraum. Es waren also echte Stimmen. Irgendwann kam ich auf mein Zimmer. Zweibett – ohne Zuzahlung. Ich wollte mal was erledigen und fragte, ob ich schon aufstehen könne. Die Schwester kam zurück mit einer so genannten Ente, einem Glasgefäß. Ab jetzt wusste ich, dass ich gealtert war. Nicht nur wegen meines Unfalls am Geburtstag.

Den Filmriss habe ich übrigens immer noch. Normal bei einer Gehirnerschütterung, wie mir der Arzt bestätigt hat. Waren es zwei oder zehn Minuten? Ich weiß es nicht. Aber vielleicht war es auch gut, das alles nicht mitbekommen zu haben. Und eine größere Fahrradtasche habe ich auch schon.

 

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