Wie es ist, nachts während der Ausgagssperre zu laufen

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Nun also doch. Wochenlang blieben wir von der nächtlichen Ausgangssperre verschont. Zuletzt hat es uns dann doch noch erwischt. Sehen wir es positiv: Während alle anderen zu hause bleiben müssen, dürfen wir Läufer von 22 bis 24 Uhr joggen gehen. Zugegeben ist das nicht die Zeit, in der ich sonst regelmäßig in Laufschuhen unterwegs bin, was mir der Durchschnittspuls nach dem Training angezeigt hat. Ein bisschen aufgeregt war ich schon bei meinem Experiment. Naja, vielleicht lag die Herzfrequenz auch an meiner Coronaimpfung zwei Tage vorher – egal. Aber an diesem Freitagabend wollte ich das Exempel einmal statuieren: Einfach mal schauen, was draußen so alles los ist, ob ich noch mehr so verrückte Läufer treffe oder ob sich überhaupt jemand für mich interessiert und fragt, warum ich da draußen eigentlich rumlaufe.

Nachdem ich die Kleine ins Bett gebracht hatte, schnürte ich also die Laufschuhe. Es war 22.20 Uhr – 20 Minuten nach Polizeistunde. Ich verließ die Wohnung und lief durch meine menschenleere Wohnstraße. Kein Auto war zu hören, kein Mensch zu sehen. Und da es schon richtig dunkel war, hat auch kein Vogel mehr Laute von sich gesehen. Alo genoss ich die Ruhe und bog auf die menschenleere Hauptstraße ab. Am Kreisverkehr musste ich allerdings staunen, ein Auto zu sehen. Denn im Gegensatz zu uns Läufern haben die da draußen um diese Zeit eigentlich nichts mehr verloren. Es sei denn, jemand kommt von der Arbeit heim. Aber in dem Auto saßen zwei. Fahrgemeinschaft in Corona-Zeiten? Naja, nicht mein Problem.

Ich verließ für mein Experiment die Hauptstraße und lief durch die menschenleere Altstadt. Dort, wo sich sonst besonders an warmen Tagen die Menschen tummeln, erst recht am Vorabend des 1. Mai, war absolut niemand zu sehen. Also verließ ich den Weg, überquerte die Emsbrücke, um im Park fündig zu werden. Die zwei Jugendlichen auf ihren Fahrrädern schauen erschreckt nach oben, als sie mich anlaufen sahen. „Ordnungamt, schönen guten Abend“, hätte ich nur noch scherzhaft sagen müssen. Denn Radfahren ist nur allein erlaubt. Aber ich bin ja nicht gemein. Die Jungs zogen von dannen, ich auch – an der Bundesstraße entlang Richtung Nachbarort.

Kurz genoss ich auf dem Radweg die Ruhe. Doch dann, was war das? Auf einem Kilometer Strecke begegnen mit acht Autos. Dabei wollte ich allein sein. Insgeheim wünsche ich mir eine Polizeikontrolle, um zu wissen, warum die durch die Gegend fahren. Doch ich treffe weder Uniformierte noch Ordnunsgamt. Dafür muss ich ausweichen, als mich ein entgegenkommender Radfahrer in Schlangenlinien nicht wahrnimmt. Nach zehn Minuten zweige ich ab in die Bauerschaft. Tatsächlich ist es leiser als an anderen Tagen. Einen Lkw in der Ferne hört man kilometerweit. Nur der Steinkauz auf dem Baum übertönt ihn. Hier ist es wirklich menschenleer. Aber das wäre es auch ohne Ausgangssperre.

Mittlerweile liegen zehn Kilometer hinter mir. Spätestens in 40 Minuten muss ich wieder zu Hause sein. Ich überquere also noch eine stark befahrene Straße. Von der Brücke aus überblicke ich die Verkehrslage. Es ist wenig los, aber nicht komplett leer. Doch was ist das? In der Ferne hört man Musik dröhnen und einen Wagen auf der Straße stehen. Party? Wahrscheinlich nicht. Aber weil es so leise ist, hört man einfach alles – auch wenn es mehreren hundert Metern Entfernung kommt. Ich laufe an der Ems entlang nach Hause. Menschen sehe ich nicht. Der Zug fährt trotzdem – drei Personen sitzen drin: der Lokführer, der Kontrolleur und ein Fahrgast. Im abendlichen Nebel sieht man in der Ferne ein Blaulicht flackern. 23.50 Uhr. Ich muss nach Hause. Gleich werde ich den Hundebesitzern das Regiment überlassen, denn die dürfen die ganze Nacht raus. Versorgung von Tieren, heißt es im Gesetz. Ich könnte mir jetzt Nachbars Hund ausleihen und noch mal um den Block ziehen. Das möchte ich aber nicht. Müde falle ich ins Bett.

 

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