Das Rückwärtslauf-Experiment

Der Test: Autor Mirco Borgmann (l.) mit Weltmeister Markus Jürgens beim Rückwärtslaufen.

Die Radfahrerin kommt uns verdammt nah. Und dann ist sie auch noch ziemlich flott unterwegs. Was sie wohl denken mag? Weicht sie aus, oder fährt sie stumpf weiter – in der Hoffnung, dass sie von den beiden Rückwärtsläufern entdeckt wird? Ich gehe lieber auf Nummer sicher und wechsele vom Straßenrand in die Mitte. Schließlich sind es meine ersten 200 Meter Rückwärtslauf auf freier Strecke, und ich muss noch ein bisschen üben.

Ich bin nicht alleine unterwegs: Neben mir läuft Markus Jürgens, der Weltmeister im Rückwärtslaufen. Seine Freundin Jenny läuft hinter unter uns her, hat stets einen Blick auf uns und gibt Anweisungen, etwa: „Da kommt gleich eine Kurve“. So machen das die beiden bei Marathonwettbewerben, wenn sich die mitten im Hauptstarterfeld befinden. Auf freier Strecke benötigt Markus keine Ansagerin. Ob mitten in der Stadt, auf der als Fahrradhighway bekannten Promenade in Münster oder am schnurgeraden Kanal: Gekonnt beherrscht er die Lage mit seinem Schulterblick. Mir rät er, sich am Straßen- oder Wegesrand zu orientieren. Und ich muss umdenken. Die Kurve geht rechts rum, aber ich muss links rum. Nach ein paar Schritten klappt’s.

Zugegeben: Es war nicht mein erster Rückwärtslauf. Gerne streue ich diese Übung ins Lauf-ABC auf dem Sportplatz ein. Was manch einen vor Herausforderungen stellt: „Läufer-Schinden“ hatte mein Trainingsteilnehmer im Strava-Portal damals unsere abendliche Einheit bititelt, wenn auch mit einem Smiley versehen. Acht Kilometer waren beim Intervall auf dem Sportplatz sowie beim Ein- und Auslaufen zusammengekommen. Was hatte ich gemacht? Außer der üblichen „Pyramide“ mit unterschiedlichen Belastungsintervallen kam noch die Kür hinzu: zweimal 100 Meter Rückwärtslaufen.

Für mich war das eine willkommene Abwechslung. Die Laufbahn-Begrenzung macht den Einstieg leicht, was mir auch Markus hinterher bestätigt. Das Ganze macht nicht nur Spaß, es fördert auch die Konzentration und Koordination. Und man spricht beim Rückwärtslaufen Muskeln an, von denen man beim Vorwärtslaufen nicht unbedingt spürt, dass man sie hat. Zumindest spürt sie der untrainierte Rückwärtsläufer am nächsten Tag. Zwar nicht so arg, dass man danach weder vorwärts noch rückwärts kommt, aber man spürt sie.

Mittlerweile habe ich schon 1000 Meter Rückwärtslaufen am Stück geschafft. Auf einem sonntags zugänglichen Standortübungsplatz der Bundeswehr. An Markus‘ Zuschauer muss ich mich noch gewöhnen: Wenn einer rückwärts durch die Gegend läuft, fällt das auf. Kinder bleiben verdutzt stehen, manch einer hält aus Spaß seine Hand in den Weg und zieht sie vorher weg. Nein, da habe ich mich doch lieber aufs einsame Terrain zurückgezogen.

Mehr über den Rückwärtsläufer, wie sich Markus selbst nennt, könnt ihr im Web erfahren. Ich persönlich werde das jetzt öfter machen, nicht nur zum Welt-Rückwärts-Tag, der für mich der Anlass war, das Ganze mal zu probieren und mich mit den beiden zu einem längeren Lauf zu treffen. Aber versprochen: Markus, ich werde Dir bestimmt keine Konkurrenz machen…

 

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