„Dass Du mit auch brav um 21 Uhr wieder zu Hause bist“, schrieb ich meinem Laufkumpel per Whatsapp-Nachricht. Gerade hatte ich im Internet gesehen, dass der Nachbarkreis, in dem er lebt, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hat. Laufen? Verboten. Über den Sinn dieses Verbots kann man streiten, aber es ist nun mal so – und 2021 wird hoffentlich alles wieder besser. Ich versetzte mich in seine Situation und überlegte, was ich anstellen würde, um doch noch die Laufschuhe schnüren zu können. Zum Glück habe ich keine sterbenden Angehörigen, die ich besuchen muss. Auch meiner Erziehung muss ich zu nächtlicher Stunde nicht nachkommen – eine weitere Möglichkeit, um vor die Tür zu gehen. Arbeit zu nächtlicher Stunde, von der ich die 33 Kilometer von der Arbeit zu Fuß nach Hause laufen könnte? Nein, ich hatte keinen Spätdienst. Mir fiel nichts ein, das Verbot zu umgehen. Bis mir jemand mit seinem Hund eintgegenkam.
Das ist es! „Wenn Du abends laufen gehen möchtest, leih dir doch einfach Nachbars Hund aus“, schrieb ich meinem Kumpel, der auf meine vorherige Anspielung auf die nächtliche Sperrstunde nicht gerade freudestrahlend reagierte. Dabei stellte ich mir einen Silvesterabend vor. Jeder muss zwischen 21 und 5 Uhr in seiner Wohnung bleiben. Es sei denn, es führt gerade einen Hund spazieren. Hundebesitzer haben einen klaren Vorteil, dachte ich mir. Sie können sich unbeschwert besuchen und anstoßen. Ist zwar nicht Sinn und Zweck des Gesetzes, aber er lässt Interpretationsspielraum zu.
„Geh mir weg mit diesen Wadenbeißern“, schrieb er. Mein Laufkumpel überlegte unterdessen, wie er auch ohne Hund bei nächtlicher Sperrstunde zu seinem Haus gelangen könnte, ohne aufgegriffen zu werden. Weil er in einer mittelgroßen Stadt wohnt, ist das gar nicht so leicht, stellte er beim Blick auf die Karte fest. Er kreierte eine Laufrunde über abgelegenene Waldwege und einsamer Felder – dorthin, wohin sich garantiert kein Polizeiauto verirren würde. Das Problem waren die letzten 500 Meter, auf denen er mindestens drei Straßen überqueren musste. Noch vor der Sperrstunde lief er los, um das Ganze zu testen. Je weiter er kam, desto mehr machte er sich Sorgen, doch noch erwischt zu werden. Also wurde aus dem abendlichen Lauf ein nächtliches Intervalltraining. Der Puls gefühlt auf 180, die Uhr knapp über vier Minuten pro Kilometer. Japsend stand er um 20.59 Uhr vor seiner Tür. Geschafft! Das nächste Mal, beschloss er, fasste er sich ein Herz und fragte wirklich nach Nachbars Hund.
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